[22.05.2017 — 20 Uhr] Dani­el Ben­saïd „Ein unge­dul­di­ges Leben“ — Buch­vor­stel­lung und Lesung mit Elfrie­de Mül­ler und Kers­tin Schoof

Radi­ka­le Lin­ke und Gesell­schaft im Frank­reich der Nach­kriegs­zeit

Dani­el Ben­saïd schil­dert in sei­ner poli­ti­schen Bio­gra­phie den Wer­de­gang der Neu­en Lin­ken in Frank­reich und Latein­ame­ri­ka. Die­se ging und geht ganz ande­re Wege als die deut­sche Lin­ke – was das Buch jen­seits des Bio­gra­phi­schen zu einer erhel­len­den Lek­tü­re macht.

Der Akti­vist und Phi­lo­soph erzählt in „Ein unge­dul­di­ges Leben“ (Lai­ka Ver­lag, 2016) sei­ne packen­de poli­ti­sche Bio­gra­phie, in der sich Indi­vi­du­um und Kol­lek­tiv, Theo­rie und Pra­xis über­schnei­den, wider­spre­chen und ver­söh­nen. Das „Ich“ und das „Wir“, die per­sön­li­chen und die geteil­ten Erfah­run­gen, zeu­gen von einem poli­ti­schen Leben, das im Frank­reich der 60er Jah­re beginnt.

Die Jugend in einem von den Spa­ni­schen Repu­bli­ka­nern gepräg­ten Tou­lou­se als Sohn eines Pro­fi­bo­xers aus Oran, der Beginn der 68er-Bewe­gung in der fran­zö­si­schen Pro­vinz und in Paris, die schmerz­haf­te Erfah­rung der argen­ti­ni­schen Lin­ken, die Neulek­tü­re von Marx: Unter­schied­lichs­te Facet­ten eines beweg­ten Lebens. Aus der Per­spek­ti­ve eines Akteurs bli­cken wir auf welt­wei­te poli­ti­sche Ereig­nis­se wie der Alge­ri­en­krieg und die anti­ko­lo­nia­le Soli­da­ri­täts­be­we­gung dage­gen, die durch den Pro­test gegen den Viet­nam­krieg wei­ter befeu­ert wur­de. Dar­aus ent­stand in Frank­reich eine Lin­ke, die im Mai 1968 in Frank­reich eine fast revo­lu­tio­nä­re Situa­ti­on pro­vo­zier­te. Den­noch han­delt es sich nicht um eine nost­al­gi­sche Rück­schau auf längst ver­gan­ge­ne Zei­ten. Greif­bar wird dies im mehr denn je not­wen­di­gen anti­fa­schis­ti­schen Kampf gegen Strö­mun­gen wie den Front Natio­nal, der Ben­saïds Bericht auch für die heu­ti­ge poli­ti­sche Situa­ti­on bedeut­sam macht.

Elfrie­de Mül­ler (Über­set­ze­rin des Ban­des, jour fixe initia­ti­ve ber­lin) und Kers­tin Schoof (Lek­to­rin) stel­len die Aus­ein­an­der­set­zun­gen, The­men und Ent­wick­lun­gen der fran­zö­si­schen radi­ka­len Lin­ken von 1960–2010 vor und lesen ent­spre­chen­de Aus­zü­ge aus der Auto­bio­gra­phie.

Bio­gra­phie:
Dani­el Ben­saïd (1946–2010) lehr­te Phi­lo­so­phie an der Uni­ver­si­tät Paris VIII (Saint-Denis), war Mit­be­grün­der meh­re­rer links­ra­di­ka­ler Orga­ni­sa­tio­nen (JCR, LCR, NPA) und ver­such­te sein poli­ti­sches Leben lang – nach der sta­li­nis­ti­schen Tra­gö­die und dem Tri­umph der Waren­ge­sell­schaft – die Hie­ro­gly­phen die­ser Gesell­schaft zu ent­zif­fern und eine eman­zi­pa­to­ri­sche Per­spek­ti­ve auf­recht zu erhal­ten.