„Es spielt sich in der Kunst ein Klassenkampf ab, am sichtbarsten natürlich in der Architektur, und ein Schlachtfeld dieses Klassenkampfs ist jedes einzelne Bauwerk.“
Als Adolf Behne dies 1931 schrieb, kam die Frage nach Flachdach oder Spitzdach noch einem politischen Bekenntnis gleich. Auch im sozialdemokratischen Frankfurt der 1920er Jahre wurde dieser Kampf lautstark und mit vergleichbarem Pathos geführt. Mit der Errichtung der Siedlungen des Neuen Frankfurt unter Ernst May wurde die Konfliktlinie allerdings vor die Tore der Stadt verschoben, während die innerstädtischen Terrains praktisch unangetastet blieben.
Eine bemerkenswerte Ausnahme bildeten zwei Bauten, die damals im Umfeld der Universität entstanden: Das erste Institut für Sozialforschung sowie das Gebäude der sozialdemokratischen Wochenzeitschrift „Volksstimme“, beide inzwischen zerstört. Im weitesten Sinne lassen sie sich als Gegenbauten zu den Gründerzeitgebäuden verstehen, die in Form und Inhalt nach einer neuen Repräsentation politischer Herrschaft suchten. Jürgen Schardt rekonstruiert in seinem Vortrag die Konflikte hinter diesen Architekturen und entziffert dabei eine Geschichte, die immer noch Überraschungen bereithält.
Jürgen “Charlie” Schardt studierte Gesellschaftswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt und promovierte dort anschließend in Humangeographie. Arbeitsschwerpunkte: materialistische Gesellschafts- und Architekturkritik, Geographien sozialer Ungleichheit sowie praktische Interventionen in die städtische Politik.