[8.3.2017 — 20 Uhr] Tomer Gar­di liest aus “bro­ken ger­man”

Jah­re, nach­dem Radi­li sich nach bedroh­li­chen Anpö­be­lun­gen durch Skins ein Mes­ser gekauft hat, kehrt er als Erwach­se­ner in die­sel­be Stadt zurück, und sei­ne neu­en Freun­de aus der »links­ra­di­ka­len WG« wol­len einen Film dar­aus machen. Die Suche nach dem damals ver­gra­be­nen Mes­ser ist die ers­te von vie­len Situa­tio­nen, die der Erzäh­ler vor uns abrollt, fal­len lässt, neu auf­nimmt und auf ganz unor­tho­do­xe Wei­se mit­ein­an­der ver­knüpft. Er ent­wi­ckelt eine Sze­ne im Jüdi­schen Muse­um, die in einen Kri­mi mün­det, er bespricht mit sei­ner Mut­ter Erin­ne­run­gen an ein von den Deut­schen besetz­tes Dorf in Rumä­ni­en (»Eine dicke Mann, der sei­ne Ärmel hoch rollt, fast bis zum Ach­sel, und sagt, bis hier­her, bis hier­her hät­te ich, bis hier­her hät­te ich mei­ne Ärme in Juden­blut ein­tau­chen, lebt in mei­ne Mut­ter«), er reka­pi­tu­liert einen Schul­aus­flug zu archäo­lo­gi­schen Gra­bun­gen im Nor­den von Isra­el, und immer wie­der fin­den wir uns in der »Bar zum Roten Faden«, in Loka­len und Call­shops wie­der, in denen Radi­li und sei­ne Freun­de Ama­dou, Fikert, Anu­an, Aba­yo­mi und Jamal abhän­gen.

Es wäre ein ganz nor­ma­ler, über­mü­ti­ger und unge­nier­ter Groß­stadt­ro­man, wäre da nicht sei­ne Spra­che, die Spra­che all die­ser Migran­ten, die wie der Erzäh­ler – »Das ist kein Deutsch!« – aus ihrer Spra­che depor­tiert und aus der Geschich­te bzw. der Erzäh­lung hin­aus­ge­wor­fen wur­den. »Rea­lis­mus schrei­ben nur Men­schen mit einem fes­ten Wohn­sitz und einer Auf­ent­halts­er­laub­nis«, sagt Tomer Gar­di und ent­wi­ckelt in Bro­ken Ger­man ein anspie­lungs­rei­ches, anspruchs­vol­les und ver­gnüg­li­ches Plä­doy­er für die Spra­chen­viel­falt in der einen Spra­che, für die Regel­über­tre­tung, für das nicht Nor­mier­te.

Tomer Gar­di, gebo­ren 1974 im Kib­buz Dan in Gali­läa, stu­dier­te Lite­ra­tur und Erzie­hungs­wis­sen­schaft in Tel Aviv und Ber­lin.
Er war Her­aus­ge­ber der Zeit­schrift »Sedek: A Jour­nal on the Ongo­ing Nak­ba«, ein Pro­jekt der israe­lisch-jüdi­schen Initia­ti­ve Zochrot, die die Erin­ne­rung an die Ver­trei­bung der Paläs­ti­nen­ser im öffent­li­chen Dis­kurs ver­an­kern will. Tomer Gar­dis lite­ra­ri­scher Essay Stein, Papier (dt. 2013 bei Rot­punkt) erschien 2011.

Wir freu­en uns ganz beson­ders auf die­sen Abend!